Celle - eine Bauhaus-Stadt


Wer Celle kennt, denkt nicht gerade als erstes an Bauhaus und Architekturgeschichte. Es fällt einem in Punkto Architektur eher die Fachwerkinnenstadt ein, als Bauhaus-Siedlungen.

In diesem Betrag stelle ich euch meine Heimatstadt Celle vor. Ich habe sie nämlich in den letzten Jahren wieder richtig lieb gewonnen. Sie hat ca. 80 000 Einwohner, Fachwerkhäuser, ein tolles Schloss, eine Stadtkirche, ein Landgestüt, die größte jersidische Enklave, die seit 50 Jahren zeigen, wie Tradition mit Integration geht und eben auch eine ganze Menge Bauhaus-Häuser.


Seitdem ich einen Artikel des Blogs Messynessychic entdeckt habe, wo es um die Wiedereröffnung einer 70 Jahre verschlossenen Wohnung in Paris geht, bin ich ein riesiger Fan von Museumswohnungen. Mich fasziniert die Zeitreise und die echte gelebte Vergangenheit, die man dadurch zu sehen bekommt.




Durch Zufall habe ich dann auch gleich von mehreren Museumswohnungen in Deutschland Wind bekommen. Eine davon befindet sich direkt in meiner Heimatstadt Celle. Mit der Celler Bauhaus-Museumswohnung möchte ich euch zeigen, dass Celle eigentlich eine Bauhaus-Stadt ist und großartige Architektur zu bieten hat.


Otto Haesler war Architekt und ein wichtiger Mitbegründer des Neuen Bauens (Bauhaus) neben Walter Gropius, Bruno Taut und Ernst May in der Weimarer Republik. Er war Verfechter des sozialen Wohnungsbaus um den um 1920 zahlreichen wohnungslosen Bürgern Celles ein bezahlbares Zuhause zu schaffen. Nach der Weltwirtschaftskrise 1923 galt es das Bauen zu rationalisieren und zu industrialisieren. Sein Markenzeichen wurde die Typisierung bei der Grundrissaufteilung (weniger Flur, nach der Sonne ausgerichtete Wohnräume von denen die Schlafräume abgingen) und die damals neuartige Skelettbauweise (Stahlgerüst).



In Celle kann man seine Entwicklung des Neuen Bauens sehr gut nachvollziehen.
Es begann 1924 mit dem Projekt am Italienischen Garten, mit dem er zwar bereits eine neue Grundrissaufteilung und klare Linien schaffte, aber die Grundrisse der geschaffenen Wohnungen noch viel zu groß und dadurch für eine durchschnittliche Arbeiterfamilie zu teuer waren. Vor einiger Zeit erst wurden diese wunderschönen Bauten in ihren Originalfarben wieder hergerichtet und erstrahlen förmlich wie neu.

Italienischer Garten 
Italienischer Garten 
Italienischer Garten 

Italienischer Garten

Italienischer Garten 
Die Siedlung Georgsgarten (1926/27) war dann die „städtebauliche Premiere“ bei der er das „Kabinensystem“ von Ludwig Hilberseimer umsetzte. Sie gilt als erste Zeilensiedlung und wird als Mustersiedlung des Neuen Bauens gelobt.



Rektorenhaus Altstädter Schule
Von 1926-1928 baute er die Altstädter Schule. Die ursprüngliche Volksschule wird auch weiterhin als Grundschule genutzt. Otto Haesler entwickelte hier auch die Schulmöbel. Für seine Siedlungen hatte er ebenfalls modernes Mobiliar designt (sog. „Volksmöbel“), was zur damaligen Zeit allerdings als unwohnlich eher abgelehnt wurde.

Altstädter Schule 
Altstädter Schule
Altstädter Schule
Die von mir und meinem Mann besichtigte Museumswohnung befindet sich in der Siedlung „Blumenläger Feld“ (1930/31), welche heute saniert und um ein Stockwerk ergänzt als Wohnraum zur Verfügung steht. Es handelt sich hier um eine sogenannte Kleinstwohnungssiedlung. Die Wohnungen waren ca. 46m2 groß und kosteten zwischen 30 und 50 Mark. Zu sehen gibt es zwei Wohnungen. Eine Wohnung ist zeitlich in den 1930er Jahren angesiedelt, eine zweite zeigt Wohnen in den 50er Jahren. Es ist eine perfekte Zeitreise. Und das Beste ist: man darf alles anfassen und sich frei bewegen. Es gibt unzählige Dinge zu entdecken, z.B. das aus einem Empfänger und einer Zigarrenkiste gebaute Grammofon. Dank Herrn Becker weiß ich jetzt warum es im Bauhaus immer diese Schießscharten artigen Fenster gibt. Sie dienten dazu zwei Doppelstockbetten in einem Raum unterzubringen. Warum man sie heute immer noch so bei den Neubauten gestaltet, weiß ich allerdings nicht.

Museumswohnung 30er Jahre
Museumswohnung 30er Jahre
Museumswohnung 30er Jahre
Museumswohnung 30er Jahre
Museumswohnung 30er Jahre
Museumswohnung 30er Jahre
Zusätzlich gibt es im ehemaligen Waschhaus, welches auch zur Siedlung gehörte, ein Museum. Das Waschhaus diente nicht nur dem Wäsche waschen, sondern auch der Körperpflege. 30min. eine Wanne voll Wasser und los ging das Baden. Ich schätze allerdings, dass das 8. Familienmitglied nur noch dreckiges und kaltes Wasser vorfand und vielleicht noch 30 Sekunden baden durfte bevor die Glocke läutete und der Badespaß damit beendet war. Könnt ihr euch das vorstellen, nur einmal pro Woche zu baden/duschen? Was damals jedoch sehr modern war, war ein WC in jeder Wohnung. Das hat doch was?

Waschhaus


Der Besuch des Museums ist kostenlos. Jeden ersten Sonntag im Monat ist das Museum von 15 bis 18h geöffnet. Alternativ kann man auch einen Wunschtermin mit Herrn Becker oder Kollegen vereinbaren. Herr Becker hat uns grandios für mehr als 2 Stunden herumgeführt, erklärt, Geschichten erzählt und das nur für ein Danke. Daher möchte ich mein DANKE an dieser Stelle nochmals wiederholen. Ich habe ihm bereits angedroht, dass ich wiederkomme, weil es einfach zu viel zu entdecken gibt.
Die Initiative lebt von Spenden. Daher meine Bitte an alle, die vielleicht auch dem Museum einen Besuch abstatten werden, lasst einen kleinen Obulus da, das ist in Kulturgut angelegtes Geld. Wunderbar.

Museumswohnung 50er Jahre
Museumswohnung 50er Jahre 
Museumswohnung 50er Jahre
Wer mehr erfahren möchte empfehle ich folgende Seite: www.otto-haesler-initiative.de und www.otto-haesler-stiftung-de/Museum oder einfach persönlich vorbeischauen. Letzteres ist die beste Option.

Otto Haesler Museum
Galgenberg 13
29221 Celle
Jeden 1. Sonntag 15-18h oder nach Terminvereinbarung

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